Erinnerungen an den Holocaust vermitteln

    Kürzlich besuchte der Holocaust Zeitzeuge Joop Caneel die Sekundarschule Knonau-Maschwanden-Mettmenstetten. Der Vortrag erfolgte im Rahmen der Geschichtslektionen, in denen in den 3. Sekundarklassen aktuell der 2. Weltkrieg im Unterricht thematisiert wird. Im Anschluss daran wurde die Roll-Up Ausstellung mit Porträts von Holocaust Zeitzeuginnen und Zeitzeugen und kurzen Statements mit Erklärungen gezeigt.

    (Bilder: zVg) Joop Caneel spricht zu 3.Sek Schulklassen in Mettmenstetten.

    An einem verregneten Donnerstagmorgen im Mai strömten die Schülerinnen und Schüler der 3. Sek Klassen der Sek Mättmi erwartungsvoll in den Singsaal. Für einmal stand nicht klassischer Schulunterricht auf dem Programm, sondern ein Referat eines Holocaust Zeitzeugen. Joop Caneel schilderte eindrücklich, wie er als kleiner Junge selbst den 2. Weltkrieg überlebte. «1939 bin ich in Amsterdam geboren. Die Niederlande waren im 2. Weltkrieg neutral. Viele Juden fühlten sich daher dort auch nach Kriegsbeginn noch sicher.»

    Vom 10. bis zum 15. Mai 1940 wurde auch die Familie Caneel vom Blitzkrieg überrascht. Nach dem deutschen Einmarsch in die Niederlande durften Juden am Anfang weiterhin gewissen Berufen nachgehen und wurden nicht in Ghettos gesperrt. Den «Judenstern» mussten sie jedoch tragen und es gab jeden Tag Verhaftungen und Deportationen in Konzentrationslager.

    Hat viel zu erzählen: Joop Caneel als Junge während dem 2. Weltkrieg.

    Joops Vater war Leiter eines jüdischen Waisenhauses und die Familie fühlte sich lange sicher, weil die Niederlande neutral waren. Joop Caneel und seine Mutter wurden drei Mal auf der Strasse aufgegriffen und ins Transitzentrum für Deportationen gebracht. Zweimal konnten sie durch Bestechung eines Wachmannes entkommen. Beim dritten Mal standen sie bereits auf dem Bahnsteig, um in den Deportationszug einzusteigen, als sich die Mutter ohnmächtig stellte und sie somit erneut entkamen. Mitte 1943 waren fast alle Juden von den Niederlanden deportiert worden und so gaben die Caneels den kleinen Joop über eine Untergrund-Organisation in Obhut einer Pflegefamilie auf dem Land. Dort wurde er als Waise des Angriffs auf Rotterdam ausgegeben. Die Eltern lebten während der folgenden Kriegsjahre in einem winzigen Dachzimmer bei einem Metzger. Erst nach Kriegsende verliessen sie ihr Versteck wieder.

    Joop erkannte nach dem Krieg seine Eltern nicht mehr
    Nach dem Kriegsende lebte der kleine Joop noch mehrere Monate bei der Bauernfamilie. Für die Eltern gestaltete sich die Suche nach ihrem Sohn schwierig: «Als sie mich holen wollten, erkannte ich sie nicht mehr und versteckte mich hinter meinem Ziehvater.» Für Joop war es ein schwieriger Abschied, denn seine Pflegefamilie hatte ihn liebgewonnen und er sie auch. Deshalb wollte er zuerst nicht mit seinen leiblichen Eltern mitgehen.

    Die Roll-Up Ausstellung der «Gamaraal Fondation» und «The Last Holocaust Survivors» wurde im Schulhaus gezeigt.

    Stimmen zum Referat
    Geschickt verknüpfte der Zeitzeuge Joop Caneel in seinem Referat die Geschichte mit aktuellem Zeitgeschehen. Im Anschluss konnten die Schülerinnen und Schüler Fragen an ihn stellen und anschliessend in den Klassenzimmern ihre Gedanken schildern:

    «Ich fand, dass der Morgen sehr spannend und interessant war. Durch diesen Anlass wurde mir klar, wie schlimm die Zeit im 2. Weltkrieg war. Ich kann mir nicht vorstellen, mich in meiner Kindheit verstecken zu müssen und meine Eltern nicht mehr zu sehen. Es ist schwer sich vorzustellen in ständiger Angst vor dem Tod zu leben.»

    «Ich habe grossen Respekt dafür, dass Herr Caneel seine Geschichte mit uns geteilt hat, obwohl es nicht schöne Erinnerungen sind. Wenn ich nachdenke, wie schlimm dieser Krieg war, verstehe ich nicht, wie so etwas immer wieder geschehen kann, wie beispielsweise im Ukrainekrieg. Man müsste doch annehmen, die Menschheit sei kluger geworden.»

    «Danke, Herr Caneel, dass Sie Ihre Geschichte mit uns geteilt haben. Ich wusste nicht, dass jüdische Kinder bei Pflegefamilien versteckt wurden und kannte auch nicht das Risiko, welches diese eingingen, wenn sie Juden halfen. Dass Sie Ihre Geschichte teilen, hilft mir die Situation im 2. Weltkrieg aus unterschiedlichen Perspektiven zu sehen und besser zu verstehen.»

    Roll-Up Ausstellung mit Stimmen von Holocaust Zeitzeugen im Schulhaus
    Im Anschluss zum Zeitzeugen Referat wurde die Roll-Up Ausstellung mit Porträts von Holocaust Zeitzeuginnen und Zeitzeugen der «Gamaraal Fondation» und «The Last Holocaust Survivors» im Schulhaus gezeigt. Die Klassen konnten die Roll-Ups mit Porträts sowie kurzen Statements der Holocaust Zeitzeuginnen und Zeitzeugen individuell besuchen und sich dazu eigene Gedanken bilden. Diese Auseinandersetzung mit Geschichte soll die Jugendlichen sensibilisieren, eigenständig, kritisch und reflektiert mit aktuellem Zeitgeschehen umgehen zu lernen.

    Erika Bigler,
    Sekundarlehrerin

    Mehr Informationen unter:
    www.gamaraal.com und www.last-swiss-holocaust-survivors.ch

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